Tag 18
Mopsens Fahrrad ...
... will nicht so richtig in Schwung kommen.
Ich muss nochmal ein paar Stunden nach hinten spulen, um die Misere von gestern ausführlicher zu erzählen. Vielleicht könnt ihr euch noch erinnern: Der Fahrradladen hat mich tierisch aufgeregt. Er hat mich nach der ersten Wut auch wieder in diesen blöden Teufelskreis der Trauer und der eigenen Unsicherheit rein geschleudert. Also, ich will damit sagen, dass ich mich zum ersten Mal seit Beginn der Reise sehr dämlich und nicht ernst genommen gefühlt habe. Auf einmal war da diese blöde Gedankenkette: Ja, ich sehe nicht wie eine typische Radlerin aus. Ja, und mein Equipment, meine Klamotten und allen voran, meine Figur auch nicht. Ja, und man sieht mir mit keinem Millimeter an, dass ich ungefähr schon 500 Kilometer auf der Kette habe. Ja, ich weiß, ich sehe eher so aus, als ob ich mich jetzt gerade auf den Sattel geschwungen habe, um einen höchstens 10 Kilometer langen Tagestrip zu machen.
So in etwa schleifen und schleichen diese Gedanken durch meine Gehirnwindungen und verseuchen mir meine positive und selbstbewusste area dort oben. Das hat zur Folge, dass ich auf einmal anfange diesen Scheiß auch noch zu glauben und mich, wie schon auf dem Jakobsweg, an meinem tiefsten Tiefpunkt, wie eine Witzfigur fühle (siehe Tour 1, Tag 1). Das ist das schlimmste Gefühl ever und ich will es so schnell wie möglich loswerden. Die bessere Hälfte gibt mir den Tipp jetzt am besten so schnell und kräftig wie möglich in die Pedale zu treten und das Ganze in seinen Worten: "raus zu pedalieren." Gesagt getan, denn auch ich will diese lähmende Trauer in eine kraftvolle Wut umwandeln. Und es gelingt mir. Ich gebe Gummi und tatsächlich verrauchen nach kurzer Zeit die negativen Gedanken in meiner gigantischen Staubwolke.
25 Kilometer später stelle ich (erst) fest, dass mein Sattel viel zu hoch eingestellt ist. Ich komme nur mit Ach und Krach an die Pedalen heran und war so in Rage, dass mir das erst jetzt auffällt. Dieser verfluchte "Cycles Beha"-Fahrradladen hat mich nicht nur abgezockt und gedisst, sondern auch noch totalen Scheiß mit meinem Bike gemacht. Das kann doch nicht wahr sein! Die bessere Hälfte vermutet, dass sie den Sattel für die Reparatur hochschrauben mussten, um es in die Fahrradhalterung zu bekommen. Es ist mir eigentlich egal, denn in meinen Augen haben sie einfach auf ganzer Linie versagt. Und wäre ich nicht schon ein wenig ausgepowert von unseren eben so flott runter geradelten Kilometern ich würde mich in meiner Wut genauso hochschrauben, wie mein viel zu hoher Sattel. Denn jetzt ist klar, dass wir SCHON WIEDER eine Werkstatt suchen müssen.
Da es in diesem Moment aber schon 20.30 Uhr war, machte es natürlich keinen Sinn mehr, sondern stand uns als fröhliche Aufgabe für den nächsten Tag bevor. Das einzige was mich hinterher wieder lachen lies war dieses Gedicht, was irgendwie so in etwa meine Lebensgeschichte an diesem Tag erzählte :-)
Lest es selbst:
Am nächsten Morgen nach unserer wunderbaren Wildcamping-Night, machen wir uns nun also, wie gesagt, fröhlich auf, um eine Fahrradwerkstatt zu finden. Über Umwege und ordentlichen Zeitverlust, was ich jetzt nicht weiter ausführe, weil es mich sonst WIEDER zu sehr aufregt, finden wir tatsächlich eine Werkstatt, auf einem ehemaligen Gelände einer Tankstelle.
In der einen Stunde, die wir dort noch warten müssen, damit der Mitarbeiter der Werkstatt aus seiner Mittagspause zurückkehrt, lernen wir mit Hilfe von Google Wörter wie Inbus, Sattel und niedriger stellen auf französisch. Ja, und das sagt schon alles über unsere Reise oder :-) Wir können nicht so viel auf französisch sagen, vor allem die besser Hälfte nicht, aber das beherrschen wir jetzt in astreinem französisch. Der Mitarbeiter ist baff. Und ich habe dank des Sprachtrainings keine Zeit gehabt mich erneut aufzuregen, wegen der Wartezeit. Win-win-Situation also!
Um 14.15 Uhr rollen wir enthusiastisch von der Werkstatt los und können nicht fassen, dass wir nach 3 Tagen Wartezeit auf einem Campingplatz, einem vertrödelten Tag vor dem Fahrradladen und einem weiteren verlorenem Vormittag bei einer weiteren Werkstatt, nun tatsächlich einfach Fahrrad fahren dürfen?!
Wir trauen diesem Glück nicht so ganz, aber wie das so ist, in dieser wunderschönen Natur: Schon bald verflüchtigt sich einfach alles Negative und macht Platz für die pure Glückseligkeit!
Diese lässt mich dann auch dazu hinreißen, ein völlig glückseliges, eigenes Gedicht über die Natur zu schreiben (oder ist das noch der Einfluss von "Mopsens Fahrrad"?!)
Meine Zeilen der Glückseligkeit lauten so:
​
Grüne Wiesen - ich brauche euch!
Leuchtende Vollmonde,
summende Bienen - ich brauche euch!
Pulsierende, lebendige Tiere - ich brauche euch!
Ich brauche euch für meinen Wachstum.
​
Kann ich innerlich wachsen, ohne äußeren Wachstum zu erleben?
Ich glaube nicht!
Kann ich innerlich wachsen,
ohne jeden Tag durch eine Blume, einen Baum, oder einen Fluss, an die Bewegung erinnert zu werden?
Ich glaube nicht!
​
Schlafe ich auf der Erde, im Zelt,
spüre ich, ein Kind von Mutter Erde zu sein.
Lebe ich auf Asphalt, spüre ich deinen Herzschlag nicht mehr.
Mom! Möchte ich mich lebendig fühlen, im Wachstum, im Flow,
muss ich im Leben leben &
das kannst nur Du für mich sein: Natur!
Einzig & allein!
Ja, diese Zeilen entstehen, als ich abends diesen Ausblick auf mich wirken lasse und genieße ...
Muss ich noch mehr sagen?